Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943
zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb
sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung
A. Problem und Ziel
Die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni
2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen
(Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und
Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1) verpflichtet die Mitgliedstaaten zum zivilrechtlichen
Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass
der Zugang zu Geschäftsgeheimnissen und deren Verwertung einen erheblichen wirtschaftlichen
Wert darstellen können. Gleichwohl unterfallen Geschäftsgeheimnisse auf
Grund ihrer Art nicht immer dem besonderen Schutz von Spezialgesetzen wie zum Beispiel
dem Patentgesetz oder dem Urheberrechtsgesetz.
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird im deutschen Recht bislang über die Strafvorschriften
der §§ 17 bis 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
sowie über die §§ 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegebenenfalls in
Verbindung mit § 1004 BGB analog gewährleistet. Dies ist für eine Umsetzung der Vorgaben
der Richtlinie (EU) 2016/943 nicht ausreichend.
B. Lösung
Die Richtlinie (EU) 2016/943 wird durch ein neues Stammgesetz umgesetzt. Dadurch wird
ein in sich stimmiger Schutz vor rechtswidriger Erlangung, rechtswidriger Nutzung und
rechtswidriger Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht.
Artikel 1 dieses Gesetzes enthält das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG). Darin sieht Abschnitt 1 allgemeine Regelungen vor, wie eine Definition
des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nummer 1 und Handlungsverbote zum
Schutz von Geschäftsgeheimnissen, bei deren Missachtung eine rechtswidrige Erlangung
beziehungsweise eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses
vorliegt (§ 4). § 5 enthält Gründe, bei deren Vorliegen im Einzelfall ein Verstoß
gegen § 4 gerechtfertigt sein kann.
Abschnitt 2 enthält die Ansprüche des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses gegen den
Rechtsverletzer bei rechtswidriger Erlangung, rechtswidriger Nutzung oder rechtswidriger
Offenlegung. Hierzu zählen Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 6), Vernichtung,
Herausgabe und Rückruf (§ 7), Auskunft (§ 8), und Schadensersatz bei fahrlässiger
oder vorsätzlicher Verletzung (§ 10).
In Abschnitt 3 werden Regelungen zum gerichtlichen Verfahren bei der Verletzung von
Geschäftsgeheimnissen getroffen. Durch Regelungen zur Geheimhaltung im gerichtlichen
Verfahren in den §§ 16 bis 20 wird der Rechtsschutz von Kläger und Beklagtem dauerhaft
verbessert.
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Abschnitt 4 enthält die zuvor in den §§ 17 bis 19 UWG geregelten Strafvorschriften zum
Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Die Artikel 2 bis 4 nehmen die erforderlichen Folgeänderungen im Gerichtsverfassungsgesetz,
der Strafprozessordnung, dem Gerichtskostengesetz und dem UWG vor.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Ein gewisser Erfüllungsaufwand kann sich daraus ergeben, dass ein Teil der Kleinstunternehmen
den Umständen nach angemessene Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
treffen muss, damit ihre Informationen in den Schutzbereich des Gesetzes
fallen. Größere und mittlere Betriebe schützen bereits jetzt ihre Geschäftsgeheimnisse,
zum Beispiel durch eine Zugangskontrolle oder durch vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen,
um zu verhindern, dass die betreffenden Informationen offenkundig werden.
Insoweit ist von einem einmaligen Umstellungsaufwand in Höhe von 6 440 000 Euro auszugehen.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Ausgehend von geschätzten 20 Verfahren wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen,
wird durch die Verbesserung des Rechtsschutzes durch den Entwurf eine Zunahme
um 80 Verfahren jährlich geschätzt. Die Länder können die Mehrbelastung steuern,
indem sie nach § 15 Absatz 3 GeschGehG die Möglichkeit erhalten, die gerichtliche Zuständigkeit
zu konzentrieren.
Kosten für die Wirtschaft und für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch
sind keine Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau,
ersichtlich.
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Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943
zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb
sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung1)
Vom …
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
Inhaltsübersicht
A b s c h n i t t 1
A l l g e m e i n e s
§ 1 Anwendungsbereich
§ 2 Begriffsbestimmungen
§ 3 Erlaubte Handlungen
§ 4 Handlungsverbote
§ 5 Rechtfertigungsgründe
A b s c h n i t t 2
A n s p r ü c h e b e i R e c h t s v e r l e t z u n g e n
§ 6 Beseitigung und Unterlassung
§ 7 Vernichtung; Herausgabe; Rückruf; Entfernung und Rücknahme vom Markt
§ 8 Auskunft über rechtsverletzende Produkte; Schadensersatz bei Verletzung der Auskunftspflicht
§ 9 Anspruchsausschluss bei Unverhältnismäßigkeit
§ 10 Haftung des Rechtsverletzers
§ 11 Abfindung in Geld
§ 12 Haftung des Inhabers eines Unternehmens
§ 13 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung
§ 14 Missbrauchsverbot
1) Artikel 1 dieses Gesetzes dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher
Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger
Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1).
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A b s c h n i t t 3
V e r f a h r e n i n G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s t r e i t s a c h e n
§ 15 Sachliche und örtliche Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung
§ 16 Geheimhaltung
§ 17 Ordnungsmittel
§ 18 Geheimhaltung nach Abschluss des Verfahrens
§ 19 Weitere gerichtliche Beschränkungen
§ 20 Verfahren bei Maßnahmen nach den §§ 16 bis 19
§ 21 Bekanntmachung des Urteils
§ 22 Streitwertbegünstigung
A b s c h n i t t 4
S t r a f v o r s c h r i f t e n
§ 23 Verletzung von Geschäftsgeheimnissen
A b s c h n i t t 1
A l l g e m e i n e s
§ 1
Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung,
Nutzung und Offenlegung.
(2) Öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder
Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gehen vor.
(3) Es bleiben unberührt:
1. Der berufs- und strafrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen, deren unbefugte
Offenbarung von § 203 des Strafgesetzbuches erfasst wird,
2. die Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit
nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 202 vom 7.6.2016,
S. 389), einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien,
3. die Autonomie der Sozialpartner und ihr Recht, Kollektivverträge nach den bestehenden
europäischen und nationalen Vorschriften abzuschließen.
§ 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes ist
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1. Geschäftsgeheimnis
eine Information, die
a) weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer
Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von
Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist
und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
b) Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen
durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist;
2. Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses
jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis
hat;
3. Rechtsverletzer
jede natürliche oder juristische Person, die entgegen § 4 ein Geschäftsgeheimnis
rechtswidrig erlangt, nutzt oder offenlegt;
4. rechtsverletzendes Produkt
ein Produkt, dessen Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess
oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erlangten, genutzten
oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.
§ 3
Erlaubte Handlungen
(1) Ein Geschäftsgeheimnis darf insbesondere erlangt werden durch
1. eine eigenständige Entdeckung oder Schöpfung;
2. ein Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts oder Gegenstands,
das oder der
a) öffentlich verfügbar gemacht wurde oder
b) sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden, Untersuchenden, Rückbauenden
oder Testenden befindet und dieser keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung
des Geschäftsgeheimnisses unterliegt;
3. ein Ausüben von Informations- und Anhörungsrechten der Arbeitnehmer oder Mitwirkungs-
und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung.
(2) Ein Geschäftsgeheimnis darf erlangt, genutzt oder offengelegt werden, wenn dies
durch Gesetz, auf Grund eines Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft gestattet ist.
– 6 –
§ 4
Handlungsverbote
(1) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangt werden durch
1. unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten,
Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der
rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die
das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten
lässt, oder
2. jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz
von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheit
entspricht.
(2) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht nutzen oder offenlegen, wer
1. das Geschäftsgeheimnis durch eine eigene Handlung nach Absatz 1
a) Nummer 1 oder
b) Nummer 2
erlangt hat,
2. gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses
verstößt oder
3. gegen eine Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen.
(3) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das
Geschäftsgeheimnis über eine andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung,
Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste, dass diese das Geschäftsgeheimnis
entgegen Absatz 2 genutzt oder offengelegt hat. Das gilt insbesondere, wenn die
Nutzung in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der
Ausfuhr oder der Lagerung für diese Zwecke von rechtsverletzenden Produkten besteht.
§ 5
Rechtfertigungsgründe
Die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist
gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt, insbesondere
1. zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit
nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, einschließlich der Achtung
der Freiheit und der Pluralität