Fordert der Patentanspruch die Eignung der geschützten Vorrichtung, einen bestimmten Vorgang ausführen zu können, und benennt er ein Mittel, über das diese Eignung erreicht werden soll, ist der Patentanspruch im Zweifel dahin auszulegen, dass das Mittel dazu vorgesehen ist und dementsprechend geeignet sein muss, an dem Vorgang, wenn er ausgeführt wird, in erheblicher Weise mitzuwirken.

BGH URTEIL X ZR 62/17 vom 24. September 2019 – Lenkergetriebe

EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Mai 2017 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 22. Juni 2016 wird im zuletzt noch anhängigen Umfang zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 1. August 1996 ange-meldeten, mittlerweile durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 196 31 042, das eine Kaltfräse für den Fahrbahndeckenausbau betrifft. Patentanspruch 1 hat nach Durchführung eines Patentbeschränkungsverfah-rens folgenden Wortlaut:
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„Kaltfräse zum Fahrbahndeckenausbau,
– mit einem selbstfahrenden Fahrwerk, bestehend aus einer lenkbaren vorderen Fahrwerkachse (6) mit zwei mit einem Hydromotor angetriebenen Stützrädern (12) und aus zwei mit einem Hydromotor angetriebenen, höhenverstellbaren, voneinan-der unabhängigen hinteren Stützrädern (14, 16),
– mit einem im Bereich der zwei hinteren Stützräder (14, 16) auf der sogenannten Nullseite angeordneten Fahrstand (4) für einen Fahrzeugführer auf einem von dem Fahrwerk getragenen Maschinenrahmen (8),
– mit einer in oder an dem Maschinenrahmen (8) gelagerten Fräswalze (20) als Ar-beitseinrichtung (20), die am hinteren Ende des Maschinenrahmens (8) angeordnet ist und in etwa bündig mit diesem abschließt und deren eine Stirnseite (21) auf der sogenannten Nullseite (24) des Maschinenrahmens (8) in etwa bündig mit diesem abschließt,
– wobei das auf der Nullseite befindliche hintere Stützrad (16) aus einer zur Längsrich-tung des Maschinenrahmens parallelen, über die Nullseite (24) vorstehenden äuße-ren Endposition (26) in eine nach innen in eine Aussparung (18) des Maschinen-rahmens (20) eingeschwenkte innere, zur Längsrichtung des Maschinenrahmens (8) parallele Endposition (28) verschwenkbar ist, in der das Stützrad (16) nicht über die Nullseite übersteht,
– wobei sich die hinteren Stützräder (14, 16) dann, wenn das auf der Nullseite befind-liche hintere Stützrad (16) in seiner äußeren Endposition ist, auf der Höhe der sich orthogonal zur Fahrtrichtung erstreckenden Fräswalzenachse der Fräswalze (20) befinden, und
– mit einem Antriebsmotor für die für den Antrieb der Arbeitseinrichtung (20) und den Fahrbetrieb benötigte Antriebsleistung,
dadurch gekennzeichnet,
dass das schwenkbare Stützrad (16) über ein in einer horizontalen, unterhalb des Fahr-stands (4) befindlichen Ebene liegendes Lenkergetriebe (30) von der äußeren Endposi-tion (26) in die innere Endposition (28) verschwenkbar ist, wobei das Lenkergetriebe (30) mit einer Antriebseinrichtung (34) gekoppelt ist.“
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Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 sind, vertreibt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Kaltfräsen mit den Bezeichnungen BM , BM und BM , welche sich hinsichtlich der Fräsbreite, nicht jedoch in ihrer konstruktiven Ausgestaltung unterscheiden. Der Verschwenkvorgang des hinteren nullseitigen Kettenlaufwerks in eine Aus-nehmung im Maschinenrahmen ergibt sich aus den nachstehenden Schema-zeichnungen.
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In Figur 5 befindet sich das hintere Stützrad in seiner äußeren Endpositi-on mit eingefahrenem Drehlagerarm. In Figur 6 ist der Drehlagerarm ausgefah-ren, aber das Stützrad weiterhin am Maschinenrahmen arretiert. In Figur 10 wird das Stützrad um die Drehachse in Richtung „c“ verschwenkt. In Figur 15 ist das Stützrad in der dafür vorgesehenen Aussparung eingeschwenkt. In Figur 16 ist der Drehlagerarm eingefahren und das Zahnrad steht nicht mehr über den Maschinenrahmen über. Eine Positionsänderung des Stützrades (wie in Figur 10 gezeigt) ist erst möglich, wenn der Drehlagerarm (wie in Figur 6 gezeigt) ausgefahren ist.
Nach Auffassung der Klägerin machen diese Kaltfräsen von der techni-schen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
Die gegen sämtliche Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Rech-nungslegung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage ist vor dem Landgericht erfolglos ge-blieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht, wie zuletzt beantragt, die Beklagten zur Auskunft und Rechnungslegung und die Beklagte zu 1 zusätzlich zur Vernichtung, zum Rückruf und zur Entfernung der angegrif-fenen Kaltfräsen aus den Vertriebswegen verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz festgestellt. Den Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten hat es unter Abweisung der weitergehenden Klage nur teilweise zugesprochen und den Beklagten, auch hinsichtlich des nach Schutzrechtsablauf im Berufungsver-fahren übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision streben die Beklagten die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landge-richts an, die Beklagte zu 1 hilfsweise eine Wiederherstellung insoweit, als dort die Ansprüche auf Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswe-gen abgewiesen worden sind, und weiter hilfsweise eine Beschränkung der
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Verurteilung wegen dieser Ansprüche darauf, dass sie die betroffenen Kaltfrä-sen nur insoweit abändern muss, dass diese nicht mehr in den Schutzbereich von Patentanspruch 1 des Klagepatents fallen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmit-tel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts im zuletzt noch anhängi-gen Umfang.
I. Das Klagepatent betrifft eine Kaltfräse zum Fahrbahndeckenausbau.
Nach den Angaben der Klagepatentschrift waren Kaltfräsen des Typs W und W aus dem Haus der Klägerin zum Abfräsen von Fahrbahn- decken vorbekannt. Diese Fräsen verfügten auf der sog. Nullseite, an der die Stirnseite der Fräswalze nahezu bündig mit der Seitenkante des Maschinen-rahmens abschließt, über einen Schwenkarm für das hintere Stützrad. Bei dem Schwenkarm seien die vertikale Hubsäule des Stützrads und die drehbar, aber ansonsten fest am Maschinenrahmen gelagerte vertikale Drehwelle über zwei horizontale, vertikal beabstandete Streben starr verbunden. Mittels des Schwenkarms könne das Stützrad von einer Position neben der Fräswalze in eine vor der Fräswalze befindliche Aussparung im Maschinenrahmen um die maschinenrahmenfeste vertikale Schwenkachse manuell oder mithilfe eines über ein Zahnrad an der Drehwelle angreifenden Antriebs verschwenkt werden (Abs. 2, 3). Bei einer anderen Fräse seien um eine vertikale Achse ver-schwenkbare Stützräder an der Fräswalze befestigt (Abs. 4). Fräsen neuerer Bauart mit Allradantrieb verfügten ebenfalls über ein um eine vertikale
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Schwenkachse verschwenkbares nullseitiges hinteres Stützrad, wodurch ein kantennahes Fräsen ermöglicht werde (Abs. 6).
Bei den letztgenannten Fräsen und denen des Typs W behinder- ten das nullseitige hintere Stützrad und seine einachsige vertikale Lagerung den freien Blick auf den Arbeitsraum vor der Fräswalze sowohl im ausge-schwenkten als auch im eingeschwenkten Zustand und benötigten zudem (ver-tikal) viel Platz. Durch den Platzbedarf sei ein Aufsetzen einer Kabine auf den Fahrstand nicht möglich. Der Auf- und Abstieg des Bedienpersonals müsse von hinten erfolgen, was nachteilig für die Sicherheit sei. Zudem ändere das Stütz-rad ohne weitere Maßnahmen beim Verschwenken seine Laufrichtung (Abs. 2, 7).
Die Klagepatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Kaltfräse der eingangs der Patentschrift genannten Art derart weiterzubilden, dass bei einem auf der Nullseite der Maschine verschwenkbaren Stützrad die freie Sicht auf den Arbeitsraum vor der Arbeitseinrichtung bei kantennahem Ar-beiten verbessert wird.
Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents in der Fassung nach der Patentbeschränkung eine Kaltfräse mit folgenden Merkmalen vor:
1.1 Kaltfräse zum Fahrbahndeckenausbau
1.2 mit einem selbstfahrenden Fahrwerk, bestehend aus
1.2.1 einer lenkbaren vorderen Fahrwerkachse
1.2.1.1 mit zwei Stützrädern
1.2.1.2 die zwei Stützräder sind mit einem Hydromotor angetrieben
1.2.2 und zwei hinteren Stützrädern
1.2.2.1 die zwei hinteren Stützräder sind mit einem Hydromotor ange-trieben,
1.2.2.2 höhenverstellbar und
1.2.2.3 voneinander unabhängig
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1.3 mit einem Fahrstand für einen Fahrzeugführer
1.3.1 der Fahrstand ist angeordnet im Bereich der zwei hinteren Stützräder
1.3.2 auf der sogenannten Nullseite
1.3.3 auf einem von dem Fahrwerk getragenen Maschinenrahmen
1.4 mit einer in oder an dem Maschinenrahmen gelagerten Fräswalze als Arbeitsein-richtung,
1.4.1 die am hinteren Ende des Maschinenrahmens angeordnet ist
1.4.2 und in etwa bündig mit diesem abschließt
1.4.3 und deren eine Stirnseite auf der sogenannten Nullseite des Maschinen-rahmens in etwa bündig mit diesem abschließt,
1.5 wobei das auf der Nullseite befindliche hintere Stützrad
1.5.1 aus einer zur Längsrichtung des Maschinenrahmens parallelen, über die Nullseite vorstehenden äußeren Endposition
1.5.2 in eine nach innen in eine Aussparung des Maschinenrahmens
1.5.3 eingeschwenkte innere, zur Längsrichtung des Maschinenrahmens paral-lele Endposition verschwenkbar ist, in der das Stützrad nicht über die Nullseite übersteht,
1.6.1 wobei sich die hinteren Stützräder dann, wenn das auf der Nullseite be-findliche hintere Stützrad in seiner äußeren Endposition ist,
1.6.2 auf der Höhe der Fräswalzenachse der Fräswalze befinden,
1.6.3 wobei sich die Fräswalzenachse orthogonal zur Fahrtrichtung erstreckt,
1.7 mit einem Antriebsmotor für die für den Antrieb der Arbeitseinrichtung und den Fahrbetrieb benötigte Antriebsleistung
1.8 dadurch gekennzeichnet, dass das schwenkbare Stützrad über ein Lenkergetrie-be von der äußeren Endposition in die innere Endposition verschwenkbar ist
1.8.1 das Lenkergetriebe liegt in einer horizontalen Ebene
1.8.2 die horizontale Ebene befindet sich unterhalb des Fahrstands
1.8.3 das Lenkergetriebe ist mit einer Antriebseinrichtung gekoppelt.
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Fachmann werde Merkmal 1.8 im Lichte der Aufgabenstellung (Sichtverbesserung, Heranfahren an ein Hindernis bei kantennahem Fräsen) so verstehen, dass die „innere Endposition“ des eingeschwenkten hinteren Stütz-rads erst dann erreicht sei, wenn – wie auch für das Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 2, 3a bis 3c gezeigt und beschrieben – kein weiteres Getriebeele-ment oder anderweitiges Hindernis über die Nullseite überstehe, weil erst dann ein kantennahes Fräsen und unmittelbares Heranfahren an ein Hindernis erfol-gen könnten.
Ein erfindungsgemäßes Lenkergetriebe, das in einer unterhalb des Fahr-stands befindlichen horizontalen Ebene liege, könne trotz geringer vertikaler Ausdehnung hohe vertikale Kräfte aufnehmen. Da sich das Klagepatent an-sonsten über die nähere technische Ausgestaltung nicht verhalte, greife der Fachmann hierzu auf sein allgemeines Fachwissen zurück. Die in der Be-schreibung erwähnte und in den Figuren 3a bis 3c des Klagepatents gezeigte Ausgestaltung eines Lenkergetriebes mit vier vertikalen Gelenkachsen und zwei in einer horizontalen Ebene verschwenkbaren Lenkern sei nur bespielhaft und beschränke den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht. Im Hinblick auf den Wortlaut des Merkmals 1.8 („über ein [nicht „durch ein“] Lenkergetriebe“) und eine funktionsorientierte Betrachtungsweise müsse das Lenkergetriebe nur ei-nen erfindungswesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das nullseitige hintere Stützrad mittels eines Verschwenkmechanismus von der äußeren Endposition in die innere Endposition gelange, so dass ein kantennahes Fräsen möglich sei, müsse aber nicht als solches an der Positionsänderung des Stützrads selbst beteiligt sein.
Bei diesem Verständnis des Anspruchs 1 machten die angegriffenen Ausführungsformen auch von dem allein im Streit stehenden Merkmal 1.8 Ge-brauch. Das Stützrad sei dort von der äußeren in die innere Endposition ver-schwenkbar, die erst erreicht sei, wenn der Drehlagerarm wieder eingezogen
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sei, weil erst dann keine Maschinenteile mehr über die Nullseite überstünden. Die Verschwenkbarkeit erfolge auch über ein Lenkergetriebe, weil ohne das Ausfahren des Drehlagerarms eine Bewegung des Stützrads von der äußeren in die innere Betriebsposition für kantennahes Fräsen nicht möglich sei. Dass der Drehlagerarm und der Klapparm nur in dieser Phase als ein Schubkurbelge-triebe (im Sinne eines erfindungsgemäßen Lenkergetriebes) wirkten und das Schubkurbelgetriebe im Sinne einer funktionalen Einheit am sich anschließen-den Verschwenkvorgang mittels Kraftübertragung selbst nicht teilnehme, sei – abgesehen davon, dass es sich nicht um einen Verfahrens-, sondern einen Vor-richtungsanspruch handle – bei funktionsgerechter Auslegung ohne Belang.
III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für die Verwirkli-chung des Merkmals 1.8 nicht ausreichend, wenn ein Lenkergetriebe lediglich die Voraussetzungen dafür schafft, dass das hintere nullseitige Stützrad von der äußeren in die innere Endposition verschwenkt werden kann, aber an der Schwenkbewegung selbst nicht mitwirkt. Denn unabhängig davon, ob die von dem Merkmal verwendete Formulierung der Verschwenkbarkeit des Stützrades „über ein Lenkergetriebe“ bei isolierter Betrachtungsweise in diesem Sinne ver-standen werden könnte, ergibt sich jedenfalls bei einer am Gesamtzusammen-hang des Patentanspruchs unter Berücksichtigung von Beschreibung und Figu-ren ausgerichteten Auslegung, dass das Lenkergetriebe so ausgelegt sein muss, dass es an der Verschwenkung des Stützrades in erheblicher Weise mitwirkt, wenn eine solche erfolgt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung eines Pa-tentanspruchs dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestim-men. Denn für das Verständnis eines einzelnen technischen Merkmals ist zu-
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mindest im Zweifel die Funktion entscheidend, die es bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Pa-tentanspruchs zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 27 = GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Patentansprüche sind dahin auszulegen, dass sich aus der Gesamtheit ihrer Merkmale ein sinnvolles Ganzes ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2009 – X ZR 95/05, BGHZ 180, 215 Rn. 16 = GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; Beschluss vom 8. Juli 2008 X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 Rn. 21 – Momen-tanpol II). Fordert der Patentanspruch die Eignung der geschützten Vorrichtung, einen bestimmten Vorgang ausführen zu können, und benennt er ein Mittel, über das diese Eignung erreicht werden soll, ist der Patentanspruch daher im Zweifel dahin auszulegen, dass das Mittel dazu vorgesehen ist und dement-sprechend geeignet sein muss, an dem Vorgang, wenn er ausgeführt wird, in erheblicher Weise mitzuwirken.
b) Merkmalsgruppe 1.5, wonach das hintere nullseitige Stützrad von ei-ner äußeren in eine innere Endposition verschwenkbar ist, bestimmt, dass die geschützte Kaltfräse so ausgestaltet sein muss, dass ein Schwenkvorgang im geforderten Ausmaß durchgeführt werden kann. Dies wird in Merkmal 1.8 dahin konkretisiert, dass das Stützrad über ein Lenkergetriebe von der äußeren End-position in die innere Endposition verschwenkbar ist, wobei das Lenkergetriebe mit einer Antriebseinrichtung gekoppelt ist. Der damit zum Ausdruck kommende Bezug zwischen dem Lenkergetriebe und dem Verschwenkvorgang, der über dieses verwirklicht werden soll, ist aus Sicht des Fachmanns dahin zu verste-hen, dass das Lenkergetriebe erfindungsgemäß als Mittel dafür vorgesehen ist und geeignet sein muss, in erheblicher Weise an der Bewegung mitzuwirken, mit der das Stützrad von der äußeren in die innere Endposition verschwenkt wird.
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Der Patentanspruch fordert zwar nicht ausdrücklich, dass die Ver-schwenkung des Stützrades „durch“ ein Lenkergetriebe erfolgt. Dem kommt jedoch in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn es findet sich weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung ein An-halt dafür, dass die Formulierung der Schwenkbarkeit „über“ ein Lenkergetriebe dahin zu verstehen ist, dass es hinreichend sein soll, wenn das Lenkergetriebe dazu ausgelegt ist, eine Voraussetzung für die Schwenkbarkeit des Stützrades zu schaffen, ohne aber an der Schwenkbewegung selbst beteiligt zu sein. Durch die in Merkmal 1.8 gewählte Formulierung „über“ ein Lenkergetriebe wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass an der Schwenkbewegung noch weitere im Anspruch nicht ausdrücklich genannte Elemente mitwirken können oder es Betriebszustände geben kann, in denen das Lenkergetriebe nicht an der Durch-führung der Schwenkbewegung beteiligt ist.
c) Dieses Verständnis der anspruchsgemäßen Lehre wird auch durch den übrigen Inhalt der Patentschrift gestützt.
Nach der Beschreibung soll das Lenkergetriebe den aus dem Stand der Technik bekannten Schwenkmechanismus ersetzen, um auf diese Weise den vertikalen Platzbedarf für die Schwenkeinrichtung des Stützrades zu verringern, so dass sich die Sicht auf den Arbeitsraum vor der Arbeitseinrichtung verbes-sert. Hierzu ist das Getriebe erfindungsgemäß in einer unter dem Fahrstand befindlichen horizontalen Ebene angeordnet (Abs. 11, 12). Wenn es in diesem Zusammenhang heißt, durch die Horizontallage des Getriebes sei der Platzbe-darf für die Schwenkeinrichtung mit dem Stützrad erheblich reduziert, so dass das Stützrad mit der Schwenkeinrichtung eine bessere Sicht auf den Arbeits-raum vor der Arbeitseinrichtung im ausgeschwenkten und eingeschwenkten Zustand zulasse (vgl. Abs. 11), kann dem, anders als die Klägerin meint, nicht entnommen werden, dass das Getriebe und die Schwenkeinrichtung getrennte
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Vorrichtungen sind. Vielmehr erschließt sich auch aus diesen Erläuterungen, dass das Lenkergetriebe Teil der Schwenkeinrichtung ist und an einem Schwenkvorgang zumindest mitwirkt, wie es auch für das Ausführungsbeispiel in der Beschreibung (Abs. 36) erwähnt ist.
Mit Blick auf die Antriebsvorrichtung, mit der das Lenkergetriebe nach Merkmal 1.8.3 gekoppelt ist, erläutert die Beschreibung weiter, dass auf diese Weise das Verschwenken des Stützrads von dem Fahrzeugführer auf dem Fahrstand an einem Bedienungspult veranlasst werden kann (Abs. 15). Auch darin kommt zum Ausdruck, dass es sich bei dem Lenkergetriebe um die Schwenkeinrichtung oder jedenfalls um ein maßgebliches Mittel handelt, über das der Schwenkvorgang durchgeführt wird.
Dem entspricht, dass bei sämtlichen in der Klagepatentschrift aufgezeig-ten beispielhaften Ausgestaltungen der geschützten Erfindung das Lenker-getriebe die Funktion hat, den Verschwenkvorgang durchzuführen. Ein Lenker-getriebe, das lediglich die Voraussetzungen für die Durchführung des Ver-schwenkvorgangs schafft, ohne an dem Vorgang selbst beteiligt zu sein, wird demgegenüber an keiner Stelle gezeigt.
2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts zur Ausgestaltung der angegriffenen Kaltfräsen kann das angefochtene Urteil kei-nen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die vom Berufungsgericht als patentgemäßes Lenkergetriebe identifizier-te Einheit aus Drehlagerarm und Klapparm mag zwar in der Phase des Ein- und Ausfahrens des Drehlagerarms als Lenkergetriebe wirken. Die nur bei ausge-fahrenem Drehlagerarm mögliche Schwenkbewegung des Kettenlaufwerks ist hiervon aber entkoppelt. Durch das Ausfahren des Drehlagerarms wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar erst die Möglichkeit geschaffen, die Position des Kettenlaufwerks durch Verschwenken zu ändern. An der
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Schwenkbewegung selbst wirkt aber kein Lenkergetriebe mit. Das Mittel zur Durchführung des Verschwenkens sind die auf dem Drehlagerarm befindliche Drehachse und der Klapparm. Diese bilden auch nach dem weiten Verständnis des Berufungsgerichts und der Klägerin vom Begriff des Lenkergetriebes kein solches im Sinne des Klagepatents.
IV. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Der Senat kann die Sache selbst entscheiden, weil zusätzliche Feststel-lungen weder erforderlich noch zu erwarten sind und die Sache daher entschei-dungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Nach dem Vorstehenden machen die angegriffenen Kaltfräsen von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, so dass die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts im zuletzt noch anhängi-gen Umfang zurückzuweisen ist.
Hinsichtlich des im Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt er-klärten Unterlassungsanspruchs ist das klageabweisende Urteil des Landge-richts wirkungslos. Eines gesonderten Ausspruchs dieser Rechtsfolge bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2015 – I ZR 176/12, GRUR-RS 2015, 10416 Rn. 4 – Gute Laune Drops II).
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.