Eine Sortenschutzverletzung liegt vor, wenn eine geschützte Pflanzensorte ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers verwendet, vermehrt, angeboten, verkauft oder anderweitig wirtschaftlich genutzt wird. Der Sortenschutz bietet Züchtern gemäß nationalen und internationalen Regelungen (z. B. Sortenschutzgesetz [SortG], EU-Verordnung Nr. 2100/94, und dem UPOV-Übereinkommen) das exklusive Nutzungsrecht an ihrer Sorte.
Sortenschutzverletzungen haben schwerwiegende rechtliche und wirtschaftliche Folgen und können zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
1. Was ist eine Sortenschutzverletzung?
Gemäß § 10 SortG und Art. 13 der EU-Verordnung Nr. 2100/94 ist eine Sortenschutzverletzung jede unbefugte Handlung in Bezug auf eine geschützte Sorte, insbesondere:
- Vermehrung:
- Unbefugtes Erzeugen von Saatgut oder Pflanzmaterial.
- Beispiel: Ein Landwirt vermehrt Saatgut einer geschützten Getreidesorte ohne Zustimmung.
- Angebot und Verkauf:
- Vertrieb oder Verkauf von Saatgut oder Pflanzen einer geschützten Sorte ohne Genehmigung.
- Beispiel: Ein Händler verkauft Pflanzen einer geschützten Obstbaumsorte.
- Ausfuhr und Einfuhr:
- Export oder Import von geschütztem Pflanzgut ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers.
- Nutzung von Erntegut:
- Verwendung von Erntegut einer geschützten Sorte, das aus unrechtmäßiger Vermehrung stammt.
2. Ausnahmen vom Sortenschutz
Es gibt Ausnahmen, die keine Sortenschutzverletzung darstellen:
- Eigenbedarf (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG, Art. 14 EU-Verordnung Nr. 2100/94):
- Landwirte dürfen Erntegut einer geschützten Sorte für den eigenen Betrieb verwenden, sofern eine Lizenzgebühr entrichtet wird (sog. Landwirteprivileg).
- Forschung:
- Die Nutzung einer geschützten Sorte zu Forschungszwecken oder zur Entwicklung neuer Sorten ist erlaubt.
- Private Nutzung:
- Die Verwendung der Sorte im rein privaten und nicht gewerblichen Bereich ist zulässig.
3. Folgen einer Sortenschutzverletzung
a) Zivilrechtliche Ansprüche
Der Schutzrechtsinhaber kann bei einer Sortenschutzverletzung folgende Ansprüche geltend machen:
- Unterlassung (§ 37 SortG):
- Anspruch auf Einstellung der Verletzungshandlung.
- Beispiel: Ein Gericht untersagt einem Landwirt, Saatgut einer geschützten Sorte zu vermehren.
- Schadensersatz (§ 37 SortG):
- Ersatz des finanziellen Schadens, der durch die Verletzung entstanden ist. Dies kann auf folgende Arten berechnet werden:
- Lizenzanalogie: Der Verletzer zahlt die Gebühr, die er für eine rechtmäßige Lizenz gezahlt hätte.
- Gewinnabschöpfung: Der Verletzer muss den Gewinn aus der unrechtmäßigen Nutzung abtreten.
- Konkreter Schaden: Der tatsächlich entstandene Schaden wird ersetzt.
- Ersatz des finanziellen Schadens, der durch die Verletzung entstanden ist. Dies kann auf folgende Arten berechnet werden:
- Vernichtung (§ 38 SortG):
- Beschlagnahmung und Vernichtung unrechtmäßig hergestellten Materials oder Erzeugnissen.
- Auskunftsanspruch (§ 39 SortG):
- Der Verletzer muss Informationen über Herkunft, Vertriebswege und Abnehmer der verletzenden Produkte offenlegen.
b) Strafrechtliche Konsequenzen
- Sortenschutzverletzungen können als Straftat verfolgt werden (§ 41 SortG).
- Möglich sind Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren, bei gewerbsmäßigem Handeln sogar bis zu fünf Jahren.
c) Internationale Konsequenzen
- Bei internationalen Sortenschutzverletzungen greifen die jeweiligen nationalen Gesetze oder internationale Regelungen (z. B. nach UPOV).
4. Verfahren bei Sortenschutzverletzungen
a) Feststellung der Verletzung
- Der Schutzrechtsinhaber führt eigene Recherchen oder Überwachungen durch.
- Nutzung von Sortenschutzdatenbanken, um rechtmäßige Sorten zu identifizieren.
b) Abmahnung
- Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird der Verletzer meist abgemahnt.
- Die Abmahnung enthält:
- Aufforderung zur Unterlassung.
- Androhung rechtlicher Schritte bei Wiederholung.
- Option zur Zahlung eines Schadensersatzes.
c) Gerichtliches Verfahren
- Einstweilige Verfügung:
- Sofortige Unterbindung der Verletzung, z. B. Verkaufsstopp.
- Hauptsacheklage:
- Geltendmachung von Schadensersatz, Unterlassung und weiteren Ansprüchen.
- Internationale Klagen:
- Bei grenzüberschreitenden Verletzungen Anwendung der UPOV-Regelungen oder nationaler Gesetze.
5. Beispiele für Sortenschutzverletzungen
a) Fall: Saatgutvermehrung ohne Zustimmung
Ein Landwirt vermehrt Saatgut einer geschützten Weizensorte und verkauft dieses an Dritte. Der Schutzrechtsinhaber klagt erfolgreich auf Schadensersatz und Unterlassung.
- Urteil: BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 – Az. X ZR 156/98 („Saatgut“)
- Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass der Vertrieb von Saatgut ohne Zustimmung eine Sortenschutzverletzung darstellt.
b) Fall: Vermarktung ohne Lizenz
Ein Händler verkauft Obstbäume einer geschützten Apfelsorte, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Der Schutzinhaber setzt eine Schadensersatzzahlung durch.
6. Unsere Tätigkeit bei Sortenschutzverletzungen
- Prüfung und Beratung:
- Analyse, ob eine Sortenschutzverletzung vorliegt.
- Prüfung, ob mögliche Ausnahmen greifen (z. B. Eigenbedarf).
- Durchsetzung der Rechte:
- Vorbereitung und Durchführung von Abmahnungen.
- Antrag auf einstweilige Verfügungen bei dringendem Handlungsbedarf.
- Gerichtliche Vertretung:
- Geltendmachung von Schadensersatz und Unterlassungsklagen.
- Unterstützung bei internationalen Streitigkeiten.
- Vertragsgestaltung:
- Sicherstellen, dass Lizenzen und Nutzungsverträge rechtlich wasserdicht sind, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
- Mediation:
- Vermittlung zwischen Schutzrechtsinhaber und Verletzer, um außergerichtliche Einigungen zu erreichen.
7.Sortenschutzverletzung
Sortenschutzverletzungen sind schwerwiegende Verstöße gegen das exklusive Nutzungsrecht von Züchtern. Sie können zivilrechtliche, strafrechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine rechtzeitige Abwehr oder Durchsetzung der Rechte ist entscheidend, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Anwälte spielen eine zentrale Rolle bei der Beratung, der Durchsetzung von Ansprüchen und der rechtssicheren Gestaltung von Verträgen zur Prävention von Sortenschutzverletzungen.