Die sklavische Nachahmung ist ein Begriff aus dem deutschen Wettbewerbsrecht und beschreibt die detailgetreue Nachahmung eines fremden Produkts, ohne dass dabei wesentliche Unterschiede eingeführt werden. Eine solche Nachahmung wird dann als unlauter eingestuft, wenn sie die wettbewerbliche Eigenart des Originals ausnutzt und dadurch die Marktstellung des Originalherstellers beeinträchtigt.
Rechtsgrundlage ist insbesondere § 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das den Schutz vor unlauterer Nachahmung regelt.
1. Begriff der sklavischen Nachahmung
Eine Nachahmung ist „sklavisch“, wenn:
- Ein Produkt oder eine Dienstleistung nahezu identisch kopiert wird.
- Wesentliche Unterschiede fehlen oder nur minimale Abweichungen eingeführt werden.
- Die Nachahmung gezielt darauf abzielt, den Eindruck zu erwecken, es handle sich um das Originalprodukt.
Die sklavische Nachahmung betrifft insbesondere Bereiche, in denen das Originalprodukt eine sogenannte wettbewerbliche Eigenart besitzt. Diese liegt vor, wenn das Produkt oder seine Gestaltung so gestaltet ist, dass es sich im Wettbewerb von anderen Produkten unterscheidet und dadurch eine Herkunfts- oder Qualitätsvorstellung beim Verbraucher auslöst.
2. Voraussetzungen für die sklavische Nachahmung (§ 4 Nr. 3 UWG)
a) Bestehen eines Originalprodukts mit wettbewerblicher Eigenart
- Wettbewerbliche Eigenart:
- Das Originalprodukt muss sich durch besondere Merkmale von anderen Produkten abheben, z. B. durch Design, Form, Farbe, Funktion oder Verpackung.
- Die Merkmale müssen geeignet sein, die Herkunft des Produkts oder eine besondere Qualität zu signalisieren.
- Beispiel: Ein Möbelstück mit einem einzigartigen und wiedererkennbaren Design.
b) Vorliegen einer Nachahmung
- Eine Nachahmung liegt vor, wenn das Nachahmerprodukt wesentliche Elemente des Originals übernimmt.
- Maßstab ist der Gesamteindruck aus der Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers.
- Unterscheidung:
- 1:1-Nachahmung (sklavisch): Vollständige Übernahme ohne relevante Änderungen.
- Abgewandelte Nachahmung: Teilweise Übernahme, jedoch mit Anpassungen.
c) Unlauterkeit der Nachahmung
Eine sklavische Nachahmung ist unlauter, wenn mindestens einer der folgenden Umstände vorliegt:
- Unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des Originals (§ 4 Nr. 3 lit. b UWG):
- Der Nachahmer profitiert von dem guten Ruf oder der Bekanntheit des Originalprodukts.
- Beispiel: Ein Designerstuhl wird exakt kopiert, um von dessen Markenwert zu profitieren.
- Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 lit. a UWG):
- Die Nachahmung führt dazu, dass Verbraucher das Nachahmerprodukt mit dem Original verwechseln.
- Beispiel: Eine Smartphone-Hülle übernimmt das unverwechselbare Design eines Premium-Herstellers.
- Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Verwässerung (§ 4 Nr. 3 lit. c UWG):
- Die Nachahmung führt dazu, dass das Originalprodukt in seiner Einzigartigkeit geschwächt wird.
- Beispiel: Mehrere Kopien eines Designerstücks mindern dessen Wiedererkennbarkeit und Prestige.
3. Abgrenzung zur zulässigen Nachahmung
a) Freihaltebedürftige Merkmale
- Eigenschaften, die technisch notwendig sind oder sich aus der Natur des Produkts ergeben, können nicht monopolisiert werden.
- Beispiel: Die Form eines Schraubenschlüssels, die funktional bedingt ist.
b) Inspiration und Weiterentwicklung
- Die bloße Inspiration durch ein Originalprodukt ist zulässig, solange eigenständige, neue Merkmale hinzugefügt werden.
c) Technische Erfordernisse (§ 4 Nr. 3 UWG)
- Nachahmungen sind erlaubt, wenn sie ausschließlich durch technische Funktionen oder gesetzliche Vorgaben erforderlich sind.
- Beispiel: Einheitliche Sicherheitsmerkmale auf Medikamentenverpackungen.
4. Rechtsfolgen bei sklavischer Nachahmung
a) Unterlassungsanspruch
- Der Originalhersteller kann verlangen, dass der Nachahmer die Herstellung, den Vertrieb und die Bewerbung der Nachahmung unterlässt.
b) Schadensersatzanspruch
- Ersatz des finanziellen Schadens, der durch die Nachahmung entstanden ist.
- Schadensberechnung:
- Lizenzanalogie: Der Nachahmer zahlt eine fiktive Lizenzgebühr.
- Konkreter Schaden: Der entgangene Gewinn des Originalherstellers.
- Gewinnabschöpfung: Der Gewinn des Nachahmers wird an den Originalhersteller übertragen.
c) Vernichtung und Rückruf
- Unrechtmäßig hergestellte Produkte können beschlagnahmt und vernichtet werden.
- Bereits ausgelieferte Produkte müssen zurückgerufen werden.
d) Strafrechtliche Konsequenzen
- In besonders schwerwiegenden Fällen können auch strafrechtliche Konsequenzen nach § 23 UWG drohen.
5. Beispiele und Rechtsprechung
a) Fall: Designerstuhl
- Ein Unternehmen kopiert den berühmten „Eames Lounge Chair“ und vertreibt diesen zu einem Bruchteil des Preises.
- Urteil: Die Nachahmung wurde als unlauter eingestuft, da der Stuhl eine wettbewerbliche Eigenart besitzt und eine Verwechslungsgefahr bestand.
b) Urteil: BGH, Urteil vom 20. November 2014 – Az. I ZR 114/13 („DESIGN LINE“)
- Der BGH entschied, dass ein Design mit wettbewerblicher Eigenart durch Nachahmung geschützt ist, auch wenn kein formales Schutzrecht (wie ein Designrecht) besteht.
c) Fall: Smartphone-Hülle
- Eine Firma kopiert das unverwechselbare Design einer Smartphone-Hülle eines Premiumherstellers.
- Urteil: Die Nachahmung wurde als unlauter eingestuft, da sie die Wertschätzung und den Wiedererkennungswert des Originals ausnutzte.
6. Maßnahmen gegen sklavische Nachahmung
- Schutz durch Schutzrechte:
- Registrierung von Designs, Marken oder Patenten, um ein formales Schutzrecht zu erhalten.
- Wettbewerbsrechtliche Ansprüche:
- Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 4 Nr. 3 UWG.
- Abmahnung:
- Vorgerichtliche Aufforderung an den Nachahmer, die Nachahmung zu unterlassen.
- Gerichtliche Durchsetzung:
- Einstweilige Verfügung bei dringendem Handlungsbedarf.
- Klage auf Schadensersatz und Unterlassung.
- Überwachung:
- Marktüberwachung, um Nachahmungen frühzeitig zu identifizieren.
7. Unsere Tätigkeit bei sklavischer Nachahmung
- Beratung:
- Prüfung, ob eine wettbewerbliche Eigenart vorliegt und eine sklavische Nachahmung unlauter ist.
- Strategische Beratung zur Durchsetzung von Ansprüchen.
- Durchsetzung:
- Einleitung von wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen, z. B. Abmahnungen oder Klagen.
- Vertretung vor Gericht, um Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
- Prävention:
- Unterstützung bei der Registrierung von Schutzrechten (z. B. Designs oder Marken).
- Vertragsgestaltung, um geistiges Eigentum besser zu schützen.
8. Sklavische Nachahmung
Die wettbewerbsrechtliche sklavische Nachahmung schützt Unternehmen vor detailgetreuen Kopien ihrer Produkte, die ihre Marktposition und Wertschätzung ausnutzen. Die rechtlichen Konsequenzen für Nachahmer sind weitreichend und umfassen Unterlassung, Schadensersatz und Vernichtung der Produkte. Unternehmen sollten ihre Produkte durch Schutzrechte absichern und bei Nachahmungen zügig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um ihre Rechte durchzusetzen.